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Fast möchte man denken, im Büro Haesler wären 1929 versehentlich die Fassadenentwürfe des Dammerstocker Torgebäudes vertauscht worden: die öffentliche Gaststätte als eine wichtige Partie jenes multifunktionalen Torbaus wirkt in ihrer übermäßigen Schlichtheit geradezu anonym und das als zu vernachlässigender reiner Technikbau konzipierte Fernheizwerk auf- und gefällig, am Ende gar als bestes "Stück" Architektur des Dammerstock überhaupt.
     Doch der Reihe nach: es blieb dem zweitplatzierten des strädtebaulichen Wettbewerbs um die Dammerstock-Siedlung, dem Celler Otto Haesler vorbehalten das natürlich gewichtige Entree der Siedlung zu gestalten. Haesler nutzte diese reizvolle Chance und entwarf ein entsprechend interessantes, ja vielschichtiges Eingangsgebäude bestehend aus nicht weniger als: Gaststätte, Wirtswohnung, Metzgerei mit eigener Wurstverarbeitung, Wohnung und Garage, Fernheizwerk, Zentralwaschgebäude, zwei weiteren Wohnungen und Eingangstor, sowie einem großen Schild mit einem schematischem Grundriss der Dammerstock-Siedlung [1].
     Otto Haesler schuf wahrlich ein multifunktionales Bauwerk und damit etwas für den Funktionalismus ausgesprochen Ungewöhnliches, waren doch die Heroen der Moderne ausgezogen die Funktionen eben nicht zu vermischen, sondern dezidiert auseinander zu dividieren. Die seinerzeit berühmte CIAM, die Vereinigung der führenden modernen Architekten machte diese Trennung der Funktionen auf einer Schifffahrt im Mittelmeer als "Charta von Athen" gar zur expliziten städtebaulichen Doktrin für viele Jahrzehnte.
     Auch auf andere Weise fällt das Eingangsgebäude angenehm auf: es ist nämlich der einzige Bau, der sich der rigorosen Ost-West-Orientierung der Zeilenbauten verweigert und so mit Haeslers direkt anschließender Wohnzeile einen geschlossenen städtebaulichen Raum schafft.
 
 
[1] Walter Gropius "Ausstellung Karlsruhe Dammerstock-Siedlung - die Gebrauchswohnung"   1992  Miller-Gruber Karlsruhe  (Nachdruck Original-Ausgabe 1929)    S.17, 21
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Zwar waren in Verländerung von Haeslers Bauwerk an der Nürnberger Straße drei weitere Gebäude in Nord-Süd-Orientierung geplant, diese wären aber kleiner und deshalb deutlich kraftloser ausgefallen - kurzum an der Sonderstellung, der Bedeutung des Torgebäudes hätten sie nur wenig gerüttelt.
     Des weiteren erwähnenswert: da Haeslers Entwurf nur zweigeschossig angelegt ward, bleiben die dahinterliegenden viergeschossigen Ost-West-orientierten Zeilen und damit die eindeutige Konzeption der Siedlung auch an deren Beginn sichtbar - diese Geste Haeslers war im Übrigen von "seinen" Siedlungen in Celle und Kassel wohlbekannt und sollte nach dem Zweiten Krieg ganz allgemein Schule machen.
     Betrachtet man das Gebäude im einzelnen, so wird man tatsächlich feststellen, daß die Gaststätte, die den westlichen Endpunkt des sehr langen Gebäudes einnimmt (unnötig) zurückhaltend und wenig einladend wirkt. Den einzigen gestalterischen Höhepunkt bildet das "fliegende" Dach der Gatstätten-Terrasse im ersten Obergeschoss. Gleichfalls formal interessant, aber für den Ausblick wirklich störend, die über-Eck verlaufende Verglasung in Verlängerung der Brüstung.
     Geradezu aufregend dagegen gibt sich der verbleibende Gebäudeteil, insbesondere der vollverglaste Trockenraum im ersten Obergeschoss der Ostpartie fällt ins Auge. In seiner feingliedrigen Sprossenaufteilung erinnert er von ferne gar an den Werkstättentrakt des Dessauer Bauhauses. Auf der Straßenseite läuft die Verglasung von der gebäudeabschließenden Wandscheibe bis zum Tor, auf der Innenseite (Siedlungsseite) gar darüber hinaus.
     Durch die gleichfalls gelungene Detailierung der Attika wirkt der Trockenraum reizvoll wie ein in den weißen Gebäudekörper "eingesteckter" Glaskubus - zweifellos eine  reife Geste.
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Darüberhinaus verleiht er dem Gebäude eine dynamische, lagernde Wirkung, wozu die übrige Fassadengestaltung natürlich auch ihr "Scherflein" beiträgt.  Haesler verwendet für sie eine geradezu klassische vertikale Dreiteilung aus dunklem Sockel, "Piano Nobile" mit quadratischen Fenstern und als Abschluß den schon hoch gelobten Glaskubus. Sie sorgt für eine straffe Schichtung, die vor allem diesem Gebäudeteil einen auffällig horizontalen, geradezu dynamischen Charakter verschafft - Internationaler Stil in Reinkultur!
     Hinter der Fassade dieses Gebäudeabschnitts verbergen sich von unten nach oben ein Fernheizwerk, eine Wäscherei und der schon angesprochene Trockenraum, alle für die gesamte Siedlung konzipiert. Ein weiteres gekonntes Detail bildet die Putzkante über den Erdgeschoss-Fenstern der Straßenfassade. Sie liegt auf Torhöhe und bindet damit spannenderweise den über dem Tor liegenden Gebäudeteil mit der Brüstung des Trockenraumes zusammen. Auch läßt sie die Wandpfeiler zwischen den Fenstern wie kleine "Stützchen" erscheinen, die den darüberliegenden Trockenraum tragen - wiederum spannend.
     Der von der Nürnberger Straße gesehen links vom Tor liegende Teil, der zwei Wohnungen beinhaltet, fällt in seiner Gestaltung als unmotivierte Lochfassade wieder ab, fast als hätte Haesler einen gestalterischen Übergang zur "langweiligen" Gaststätte schaffen wollen. Einzig ein an der Fassade "klebender" Glaskörper, hinter dem das Treppenhaus liegt, setzt hier einen ansehnlichen Akzent. 
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Gut und großzügig geschnitten sind die Wohnungsgrundrisse. Sie bestehen jeweils aus Küche, Bad, nach Süden orientiertem Wohnraum mit räumlich interessant zugeordnetem Arbeitsraum, zwei großen Schlafzimmern mit Schrankräumen und einem relativ großen Abstellraum, der ebenso ohne weiteres als Aufenthaltszimmer (z. B. Essraum) nutzbar ist. Die Wohnungen sind wohltuend klar konzipiert, und der Nachteil des ein wenig beengten Wohnraums wird durch die Möglichkeit des "Durchwohnens" bei Hinzunahme des Arbeits-raumes wettgemacht. Otto Haesler war durch intensive Auseinandersetzung mit einfachen Arbeiterwohnungen (in Celle und Kassel) ein Meister im Entwurf von Wohnungsgrundrissen.
     Ein trefflicher Beitrag war auch die Idee, auf die hohe Mauerscheibe (in direkter Verlängerung von Haeslers Wohnzeile), die funktional zum Torgebäude zählt, namentlich die Kaminrohre der Heizanlage ummantelt, einen schematischen Plan der Siedlung samt (natürlich kleingeschriebenen) Dammerstock-Schriftzug abzubilden. Als vertikaler Gegenspieler des horizontalen Eingangsgebäudes stellt sie einen weithin sichtbaren Blickfang dar. Die überaus unglückliche Blechkiste dahinter wurde in den Nachkriegsjahren von der Gestaltung unkundigen Menschen installiert - nicht der einzige Nachkriegsmoderne-Lapsus im Dammerstock.
     Bleibt noch das Entree, das Tor zur Siedlung selbst. Dasselbe war wirklich ein schöner Gedanke: man durchschreitet also das Tor - und befindet sich unversehens in einer anderen (Architektur-)Welt. So jedenfalls hätte man damals bei fertiggestellter Siedlung gefühlt, in Anbetracht der völligen Andersartigkeit der hier eingeführten Architektur im Vergleich zur bis dato gültigen.
     Und heute? Durchquert man erwartungsfreudig das Torhaus erblickt man rechter Hand einen riesigen Luftschutzbunker des Zweiten Weltkrieges, und links ließ man nach gerademal einer halben Haesler-Zeile die Nachkriegsmoderne dilettieren ... ärgerlich!
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