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=> haesler I+II (gebäude 1+2)
=> gropius I (gebäude 5)
=> haesler III (gebäude 3)
=> riphahn I (gebäude 4)
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"Man reiche mir den härtesten Gropius" rief Anfang der 1930er Walter Segal förmlich aus - zum berühmten Julius Posener nach Begehung der sich auf "deutsche" Tradition berufenden Siedlung Berlin-Staaken von Paul Schmitthenner [1].
     Bereits zu diesem Zeitpunkt war Walter Gropius' Kompromißlosigkeit also eine sprichwörtliche. Solcher Gropius jedoch blieb dem Dammerstock glücklicherweise erspart; diesen gilt es, die Architektur angehend, vielmehr in Dessau-Törten und vor allem in Berlin-Siemensstadt zu fürchten. Insbesondere der Vergleich mit letzterer, also den Wohnungsbau-Zeilen der Berliner Ringsiedlung (siehe Abbildungen oben) kann ausgesprochen lehrreich sein.
     Walter Gropius war im Wohnungsbau zweifellos ein "Hardliner", und doch scheint es, als hätte er selbst aus seinen unerbittlichen Berliner Zeilen einige Lehren gezogen, ja als wäre selbst ihm diese bedrückende, schier endlose, in ihrer Dimension vom Auge kaum zu erfassende Monotonie zu weit gegangen. Im Karlsruher Dammerstock jedenfalls wendet sich eine zentrale entwurfliche Idee genau gegen diesen "Monotonismus".
     Es war eine Idee, die obgleich ihrer Qualität und Einfachheit im Neuen Bauen nur äußerst geringe Verbreitung fand: Gropius ordnete die für die Gestaltung einer Zeile in der Regel sehr wichtigen Treppenhäuser schlicht und ergreifend abwechselnd nach Osten und Westen! Nun mag ein Kritiker entgegnen, daß bei der notwendigen Addition der einzelnen Einheiten trotzdem die Wiederholung erneut zu einem bestimmenden Motiv wird. Zweifelsohne - doch umfaßt in Dammerstocker Fall eine Wiederholung durch die spezielle, sich abwechselnde Anordnung der Treppenhäuser optisch zwei Hauseinheiten, anstatt wie gewöhnlich nur eine (wie zum Beispiel in der Siemensstadt). Ergo ergeben sich  bei gleicher Anzahl von Einheiten weniger Wiederholungen - die Monotonie ist deutlich gemildert (salopp gesprochen "halbiert").
     So jedenfalls wäre es denn gekommen, hätten nicht Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus und Nachkriegsmoderne die im Anschluß an die Ausstellung geplante Erweiterung auf ihre jeweils eigene Weise erfolgreich vereitelt.

[1] Dietmar Reinborn "Städtebau im 19. und 20. Jahrhundert"    1996  W. Kohlhammer GmbH    S.82
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Die für jene Ausstellung entstandenen zwei Gebäudeabschnitte haben uns aber noch mehr Lehrreiches zu bieten. So sehr Gropius und andere Meister des Neuen Bauens die traditionellen Gestaltungsmittel ablehnten, auf einige von ihnen wollten sie zunächst nicht verzichten. So gewinnt die Westfassade (dem Zeilengrün zugeordnet) durch die großen mezzaninartigen Fenster des obersten Stockwerkes einen geradezu klassischen Abschluß. Dieses einer Fassade immer wohltuende Stilmittel setzte im übrigen noch eine ganze Reihe anderer moderner Architekten ein; die Vergangenheit, die Bauhistorie als belanglosen Balast (oder gar Kitsch) ganz zu verwerfen blieb denn der noch konsequenteren, der erst wirklich funktionalistischen Nachkriegsmoderne vorbehalten.
     Und als wäre das nicht schon genug auffällige Architektur-Historie, erhielt diese Seite ein klar formuliertes Sockelgeschoss und mit den vier folgenden Stockwerken und ihren stets gleichen Fensterformaten ein hohes "Piano Nobile". Um Mißverständnissen entgegenzuwirken: natürlich gibt sich die Fassade (fast) kompromißlos modern, die klassische vertikale Dreiteilung fungiert hier als eine Art "Matrix" auf der die modernen Gestaltungsideen in aller Klarheit abgebildet werden, so z.B. die Horizontalisierung der Fassade oder der durch Zurückhaltung des Untergeschosses erweckte Eindruck eines schwebenden, weiß strahlenden Kubus' als gänzlich untraditionelle Stilmittel. Der Nutzen dieser Matix liegt in der Harmonie, in der Ruhe, die sie dem Baukörper verleiht, wirkend im Hintergrund.
     Weniger homogen, dafür lebendiger zeigt sich die Ostfassade (Straßenseite). Hier spielt die Vertikale eine wichtigere Rolle, wofür in erster Linie die übereinandergestapelten Balkone verantwortlich sind. Wiederum fällt der obere Gebäudeabschluss auf: das fünfte Geschoss weicht zurück, wird Drempelgeschoss, läßt aber das Treppenhaus durchgehen, wodurch dieses sehr schön wie ein eigener schmaler Baukörper wirkt, der schlicht ins Gebäude "eingesteckt". Die Straßenseite wirkt insgesamt ebenso entschieden modern wie die Gartenfassade und doch greift auch sie auf die historische vertikale Dreiteilung zurück: Sockelgeschoß , hohes (vierstöckiges) Piano Nobile und Drempelgeschoß als Abschluß.
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Routiniert, in gewohnter Gropius-Manier, sind die Grundriss-Lösungen gewählt. Das Gebäude besteht aus zwei Achtfamilien-Häusern mit bewohnbaren Dachkammern im Drempelgeschoß. Sie wurden als Zweispänner konzipiert und die Räumlichkeiten gemäß der Grundforderung funktionalistischen Städtebaus nach Osten und Westen orientiert - um zu Tagesbeginn schon Morgensonne und am Feierabend noch Abendsonne empfangen zu können. Die Wohnungen bestehen aus je drei oder vier Zimmern mit Küche und zweigeteiltem Bad, das aus Gründen der Raumersparnis zur Hälfte der Erschließung zweier Zimmer dient (WC und Badewanne sind eigens separiert).
     Interessanterweise war Gropius wichtig, alle Zimmer einer Wohnung über den Flur zu erschließen [2]. Nicht also wie etwa bei Haesler oder Riphahn/Grod, welche es nämlich vorzogen Teile der Erschließung dem Wohnraum zuzuschlagen und einen oder mehrere Räume über diesen zu begehen. Will heißen zugunsten erhöhter Privatheit der einzelnen Zimmer vergrößerte Gropius die Erschließung, und damit halt auch zuungunsten des Wohnraums. Über für und wider läßt sich natürlich trefflich streiten!
     Letztendlich aber fällt der Wohraum doch recht klein aus, schließlich muss auch als Esszimmer dienen - und so ist gerade einmal zwei Quadratmeter größer als der Eltern-Schlafraum. Einzig die Verbindung mit dem Balkon bringt ein wenig räumliche Qualität in die Wohnung. Sicher, sicher... sie sollte ja nur dem Existenzminimum dienen (dafür allerdings fällt der Eltern-Schlafraum üppig aus).
     Bleibt noch zu zeigen, das Gropius ein großzügiger Außen-Wohnraum am Herzen lag. Neben den ohnhin nicht kleinen Balkonen erhielten die Familien im ersten und zweiten Hauptgeschoss je einen offenen Sitzplatz auf Höhe der Grünfläche und das dritte sowie vierte Stockwerk je einen Freisitz auf dem Dachgeschoss. Licht, Luft, Sonne? Die Hauptforderungen des modernen Städtebaus wurden vom Bauhaus-Gründer vorbildlich eingelöst.

[2] Walter Gropius "Ausstellung Karlsruhe Dammerstock-Siedlung - die Gebrauchswohnung"    1992  Miller-Gruber  Karlsruhe  (Nachdruck Original-Ausgabe 1929)   S.26
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Kritik entzündet sich am ehesten an der  Zuordnung zum Grün des Zeilenzwischenraums. Sie gilt gar generell: auch Gropius Laubenganghaus und Riphahn/Grods Zeile können diesen Grünraum praktisch überhaupt nicht beleben. Da die Zeilen der Nachkriegsmoderne ebenso daran scheiterten, wirkt dieser Zwischenraum auch heute noch trotz Kinder-Spielplatz merkwürdig leblos - als ein steriles Abstandsgrün eben.
     Seltsam, einige Sätze zuvor stellten wir doch fest, Gopius habe ihm Freiplätze auf gleichem Niveau für die Bewohner zugeordnet. Diese Maßnahme zumindest hätte doch Leben bringen müssen! Die gute Idee scheitert aber in der Praxis. Die Freiplätze werden allenfalls zum Wäsche-Trocknen oder als Abstellplätze genutzt - schließlich hat man ja noch die Balkone. Und auch ihre Ausformung als in den Baukörper eingezogene Loggien ergibt im Verbund mit den grau gestrichenen Pfeilern die Wirkung einer riesigen Schattenfuge. Das bringt zwar den (schweren) weißen Kubus optisch zum "Schweben", die sich ergebenden Räume aber wirken unwirtlich.
     Insgesamt aber ist Gropius' Leistung sicher eine gute: die kurze Zeile wirkt zwar streng, besitzt aber auch eine gewisse Eleganz, Leichtigkeit, mitunter Esprit. Ordnet man diesen Beitrag in Walter Gropius' Gesamtwerk des Neuen Bauens ein, so darf festgestellt werden, im Geschoßwohnungsbau agierte er nirgendwo besser, weder in Dessau-Törten, erst recht nicht in der Siemensstadt und auch nicht in der Frankfurter Lindenbaum-Siedlung, mithalten kann lediglich das schon angedeutete Laubenganghaus, und das steht ja auch im Dammerstock, schräg gegenüber.

[3]-[5] Walter Gropius "Ausstellung Karlsruhe Dammerstock-Siedlung - die Gebrauchswohnung"    1992  Miller-Gruber Karlsruhe  (Nachdruck Original-Ausgabe 1929)    S.26
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